Im August 1910 treffen sich mehr als 100 Frauen aus 17 Nationen zur II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen. Auf Antrag von Clara Zetkin beschließt die Versammlung einstimmig, einen eigenen Kampftag zur Durchsetzung frauenpolitischer Forderungen einzuführen.
Im August 1910 treffen sich mehr als 100 Frauen aus 17 Nationen zur II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen. Auf Antrag von Clara Zetkin beschließt die Versammlung einstimmig, einen eigenen Kampftag zur Durchsetzung frauenpolitischer Forderungen einzuführen. Einen solchen Frauentag hatte die Frauen der Sozialistischen Arbeiterpartei Amerikas auf nationaler Ebene bereits im Februar 1909 organisiert. Dieser erste Frauenkampftag war ein voller Erfolg, denn auch bürgerliche Frauenrechtlerinnen demonstrierten gemeinsam mit den Sozialistinnen für das Frauenwahlrecht. Im Februar 1910 gab es in den USA eine weitere machtvolle Demonstration für das Frauenwahlrecht. Der 1. Internationale Frauentag wurde für den 19. März. 1911 ausgerufen. Im ganzen Reich gingen Frauen und Männer auf die Straße, um ihrer Forderung nach Frauenstimmrecht Nachdruck zu verleihen. Allein in Berlin fanden 45 Kundgebungen mit 45.000 TeilnehmerInnen statt. Die Bürgerliche Frauenbewegung beteiligte sich in Deutschland nicht an den Demonstrationen. Das Frauenwahlrecht war keine zentrale Forderung, eine Zusammenarbeit mit Sozialistinnen undenkbar. Die SPD, die einzige Partei, die seit langem das Frauenstimmrecht forderte, profitierte vom Frauentag. Die Zahl der weiblichen Mitglieder stieg sprunghaft an, immer mehr Frauen abonnierten die sozialistische Frauenzeitung „ Die Gleichheit“ Trotz des großen Erfolges kommt es in den folgenden Jahren immer wieder zu Debatten um den Frauentag. Auf dem Parteitag in Jena 1911 versteigt sich ein Genosse zu der Äußerung „Ich bin nicht dafür, daß für irgendwelche Gruppen in unserer Partei Extrawürste gebraten werden, am wenigsten für das weibliche Geschlecht, das ja sehr leicht geneigt ist, die ganze Hand zu nehmen, wenn man die kleinen Finger bietet.“ Recht hatte er: Die Frauen wollten mehr und sind sogar heute mit dem Erreichten noch nicht zufrieden. Allen Widerständen zum Trotz fanden in den folgenden Jahren Frauentage statt. Für die Genossinnen war dieser Tag ein wichtiges Symbol ihrer Eigenständigkeit innerhalb der Partei, ihrer Fähigkeit, sich trotz aller gesetzlichen und ideellen Beschränkungen politisch zu organisieren und einen Beitrag zum gemeinsamen Ziel zu leisten. Bis zum 1. Weltkrieg stand die Forderung nach dem Frauenwahlrecht im Mittelpunkt des Internationalen Frauentags. Während des Krieges brachen die internationalen Verbindungen ab. Die deutschen Sozialistinnen machten in dieser Zeit den Frauentag zu einem Aktionstag gegen Krieg und Militarismus.
Solche Veranstaltungen waren allerdings unerwünscht, hatte sich die SPD Parteileitung doch zu einem Burgfrieden entschlossen und die Mehrheit der Fraktion den erforderlichen Kriegskrediten zugestimmt. Nach der Spaltung der SPD 1917 beschloss die neu entstandene USPD sofort, den Frauentag als Agitationstag wieder einzuführen. Im Mai 1917 fand eine „Rote Woche“ statt, am 5. Mai 1918, dem 100.sten Geburtstag von Karl Marx, organisierten die linken Frauen wieder einen Frauentag.
1918 beschloss der Rat der Volksbeauftragten (provisorische Übergangsregierung aus MSPD und USPD), den Frauen das Wahlrecht zu gewähren. Die Weimarer Verfassung (11.08.1919) garantierte Frauen das aktive und passive Wahlrecht. Der Frauentag wurde damit überflüssig?
Der Kampf geht weiter – die Forderungen ändern sich Das Frauenwahlrecht war allerdings nur eine, wenn auch zentrale Forderung der deutschen Sozialistinnen. Von Gleichberechtigung oder gar Gleichstellung waren die Frauen in Deutschland wie auch im übrigen Europa noch weit entfernt. Die Kommunistinnen mit ihrer Frontfrau Clara Zetkin organisierten daher nahtlos weitere Frauentage mit veränderten Forderungen. Die Sozialdemokratinnen hingegen mussten erst einmal wieder Überzeugungsarbeit in der eigene Partei leisten. Ab 1921 mobilisierten Frauen am 8. März für ihre Interessen, seit 1926 gab es dann in Deutschland 2 Frauentage: den kommunistischen Frauentag am 08. März und einen sozialdemokratischen ohne festes Datum.
Die Forderungen beim Frauentag veränderten sich: In Deutschland forderten die Frauen Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Senkung der Lebensmittelpreise, Schulspeisungen und vor allem den legalen Schwangerschaftsabbruch.
1930 stand der Frauentag unter dem Motto“ Gegen Sozialreaktion! Gegen Faschismus!“
1933 wurde der Frauentag verboten. Die Idee des Frauentags blieb aber lebendig, Frauen trafen sich illegal im privaten Kreis zum Frauentag, erinnerten in Flugblattaktionen an den Frauentag und forderten zum Widerstand gegen die Nazis auf.
Aufbruch Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Frauentag im Ostblock ziemlich rasch flächendeckend eingeführt. Der erste Frauentag in der Sowjetischen Besatzungszone fand bereits am 8. März 1946 statt.
Auch im Westen organisierten Sozialdemokratinnen ab 1947 wieder den Frauentag. Die Themen änderten sich. In den ersten Jahren standen Aktionen gegen Wiederbewaffnung, für Frieden und Abrüstung im Mittelpunkt. Das waren aber keine frauenspezifischen Themen. Der Frauentag mit seinen Forderungen ging auf in allgemein politische Aktionen. Zudem taten sich die westdeutschen Frauen schwer, angesichts des kommunistischen Unrechtsregimes in Ostdeutschland an die sozialistische Tradition des Frauentags anzuknüpfen. Und - brauchten Frauen in der Bundesrepublik wirklich noch einen eigenen Kampftag zur Durchsetzung ihrer Forderungen? Artikel 3(2) des Grundgesetzes formuliert doch eindeutig „Männer und Frauen sind gleichberechtigt„, die Gerichte sorgten durch ihre Rechtsprechung dafür, dass Gesetze entsprechend angepasst wurden, Frauen konnten ohne Beschränkungen ihre Interessen in Parteien, Bürgerinitiativen und Aktionsbündnissen vertreten.
Diese Einschätzung erwies sich schnell als Illusion. Die SPD Frauen zogen die Konsequenz und gründeten 1974 die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, um parteiintern und öffentlich auf Defizite bei Gleichberechtigung und Gleichstellung aufmerksam zu machen und für Veränderungen zu kämpfen. Andere Parteien zogen nach und gründeten ebenfalls Frauenorganisationen innerhalb der Partei.
International verbesserte sich die Situation von Frauen nicht zufriedenstellend. Daher richteten die Vereinten Nationen 1975, im offiziellen UN-Jahr der Frau am 8. März einen Frauentag aus. Im Dezember 1977 beschloss die UN- Generalversammlung den 8. März als offizielles Datum für den Internationalen Frauentag anzuerkennen.
Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde der Frauentag - zunächst nur zögerlich- reaktiviert. Niemand wollte konkret an die Tradition des kommunistischen Frauentags anknüpfen, Clara Zetkin, die bekannteste Verfechterin des Frauentags, war im Westen wegen ihrer Vereinnahmung durch die Kommunisten diskreditiert. Es hat ein bisschen gedauert, bis sich der Westen von dieser Sichtweise gelöst hat und die westdeutschen Frauenorganisationen begriffen haben, dass der Frauentag keine parteipolitische Veranstaltung war oder ist. Seit etwa 1994 setzt sich der Frauentag als Tag der frauenpolitischen Forderungen mehr und mehr wieder durch.
Inzwischen gibt es allerdings auch Stimmen, die für eine Abschaffung des Frauentags plädieren. Hauptargument: Ein einzelner Tag im Jahr, an dem Frauenforderungen in die Öffentlichkeit getragen werden, ist nichts als eine Alibiveranstaltung.
Ist das wirklich so? Ist der Frauentag nur noch eine nostalgische Veranstaltung alter(nder) Frauen? Gibt es heute nicht bessere, zeitgemäßere Mittel und Wege auf die Anliegen aufmerksam zu machen?
Abgesehen davon, dass Frauen in Parteien, Verbänden, Bürgerinitiativen und Aktionsbündnissen das ganze Jahr über beharrlich und nachdrücklich ihre Interessen vertreten, weckt es doch immer noch Aufmerksamkeit, wenn an einem Tag im Jahr die z.T. durchaus unterschiedlichen Interessen gebündelt thematisiert und öffentlich gemacht werden - und wenn an einem Tag im Jahr auch öffentlich klar gestellt wird: Trotz aller Unterschiede – Frauen sind bereit, gemeinsam für ihre Interessen einzutreten und zu kämpfen.
Hoch lebe die Frauensolidarität!
Dorothee Klinksiek